Station 6 – Rathausfoyer

Grußwort von Bürgermeister Eckart Boege zum Gang des Erinnerns und der Ermutigung, 09.11.2023

Liebe Frau Koelker,
liebe Mitwirkende des Runden Tischs für Zivilcourage und
Menschenrechte,
liebe Teilnehmende am Gang des Erinnerns,
liebe Gäste

ich begrüße Sie herzlich zum Abschluss des diesjährigen „Gangs des Erinnerns und der Ermutigung“ im Rathausfoyer.

Wegen Corona und der Sanierung des Rathauses war es in den letzten Jahren leider nicht möglich, hier zusammenzukommen.
Umso mehr freue ich mich, dass wir heute erstmals wieder eine Veranstaltung im frisch sanierten Foyer durchführen können.

Ganz besonders freut mich, dass auch dieses Jahr wieder so viele Ahrensburgerinnen und Ahrensburger am Gang des Erinnerns teilgenommen haben.

Der Gang des Erinnerns ist mittlerweile eine Tradition geworden in Ahrensburg.

Dafür bin ich den Initiatoren vom Runden Tisch sehr dankbar, die jedes Jahr viel Aufwand und Energie in die Vorbereitung und Durchführung dieser Veranstaltung stecken.

Diese Form des Gedenkens anlässlich des Jahrestags der judenfeindlichen Progrome vom 09.11.1938 ist etwas Besonderes.
Das Menschheitsverbrechen des Holocaust – die systematische Ermordung von Millionen von Juden – war so barbarisch und auch in seiner Dimension so monströs, dass es schon wieder kaum zu begreifen ist.

Die Lebens- und Leidensgeschichten einzelner Menschen, die am gleichen Ort gelebt haben, wie wir heute, macht die Schicksale anschaulich und holt die Opfer des Nationalsozialismus aus ihrer Anonymität heraus.

Auch in diesem Jahr haben sich Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Ahrensburger Schulen mit Anneliese Oelte, der Familie Rath und Magnus Lehmann befasst.

Auf diese Art und Weise wird jedes Jahr aufs Neue die Erinnerung an diese Ahrensburger Bürgerinnen und Bürger lebendig gehalten und Ihrer Schicksale gedacht.

Dafür möchte ich mich auch bei den Schulen, den Schülerinnen und Schülern, den begleitenden Lehrerinnen und Lehrern und Ihnen allen bedanken, die heute am Gang des Erinnerns teilgenommen haben.

Damit könnten es auch fast schon gut sein mit meinem Grußwort.

Aber ich kann nicht – erst recht nicht am Jahrestag der Progromnacht – hier stehen und zu den Geschehnissen der letzten Wochen schweigen.

Seit Wochen tue ich mich schwer, angesichts des Terroranschlags der Hamas in Israel für mich selbst die passenden Worte zu finden.
Und ich weiß, gerade in diesem Kreis geht es vielen so.

Es fällt mir schwer, die passenden Worte zu finden,
weil die unvorstellbare Brutalität und Grausamkeit, die tausenden von Menschen am 7. Oktober angetan wurde, für mich rein emotional kaum zu verarbeiten ist.

Es fällt mir schwer, die passenden Worte zu finden,
weil es offensichtlich ist, dass die Folgen dieses Angriffs zu neuem Leid auch unschuldiger Menschen führen werden;

Es fällt mir schwer, die passenden Worte zu finden,
weil ich fassungslos bin, dass nach diesem widerwärtigen Massaker ausgerechnet antiisraelische und antisemitische Demonstrationen das Straßenbild in Deutschland und Europa prägen.

Es fällt mir schwer, die passenden Worte zu finden, weil manche Reaktionen darauf nicht nur aus der falschen Ecke kommen, sondern selbst offen rassistisch und islamophob und fremdenfeindlich sind.

Aber Sprachlosigkeit kann keine Lösung sein – erst recht nicht am 9. November.

Sprachlosigkeit kann keine Lösung sein – erst recht nicht, wenn die Hassprediger laut sind.

Sprachlosigkeit kann keine Lösung sein – erst recht nicht, wenn Juden im Jahr 2023 weltweit in Angst leben müssen.

Am 07.10. sind in Israel über 1400 Menschen teils bestialisch ermordet worden.

Über 200 Menschen wurden entführt und sind bis heute nicht zurückgekehrt.

Tausende Menschen sind verletzt worden.

Für diese Verbrechen gibt es kein „Ja, aber“, keine Relativierung, keine Rechtfertigung.

Und ich muss zugeben, ich schäme mich, dass wir es nach dem 07.10. nicht geschafft haben, auch aus der Zivilgesellschaft heraus ein starkes und unübersehbares Signal der Solidarität und Anteilnahme zu senden.

Stattdessen müssen seit dem 07.10. jüdische Einrichtungen verstärkt geschützt werden, antisemitische Vorfälle nehmen zu, Zeitzeugen wie Ivar Buterfas-Frankenthal müssen ihre Vorträge unter Polizeischutz abhalten, jüdische Mitbürger lassen sich die „Jüdische Allgemeine“ neuerdings in neutralen Umschlägen zuschicken.

Das ist nicht zu ertragen, erst recht nicht in Deutschland.

Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.

Max Mannheimer, Holocaust-Überlebender

Wenn wir das ernst nehmen, dann dürfen wir nicht zusehen, wenn auf Deutschlands und Europas Straßen Terrororganisationen verherrlicht werden.

Wenn wir das ernst nehmen, dann dürfen wir nicht zulassen, dass das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird.

Wenn wir das ernst nehmen, dann müssen wir ohne falsche Rücksichtnahme Antisemitismus jeder Art und aus jeder Richtung benennen und entschieden widersprechen.

Nie wieder ist jetzt!

Die Hamas ist eine Terrororganisation, die das Ziel hat, den Staat Israel zu zerstören.
Die Hamas ist eine Terrororganisation, für die auch das Leben der eigenen Bevölkerung nichts zählt.
Wer die Hamas nicht klar verurteilen kann – oder gar deren Taten feiert – ist eine Bedrohung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

~ Eckart Boege,
Bürgermeister der Stadt Ahrensburg